Neulich in der Hochschule

„OH NEIN, NICHT DEN!“, riefen die Studierenden und rollten mit den Augen, als ich zeigte, was ich als spielerische Abschlusschallenge des Seminartages vorhatte.
Durch diese Reaktion wurde ich etwas unsicher. Aber die Studierenden mussten trotzdem durch. Und weil ich zum Glück etwas anders gemacht hatte als beim den Studierenden bekannten Originalspielgerät, wurde die Challenge dann noch laut und fröhlich.


Moment mal: Wo sind wir überhaupt?  

Ich gehe zurück auf das Los.
Seit 2022 habe ich einen Lehrauftrag an der HSAP Berlin, Studiengang der Kindheitspädagogik.
Mein Thema da: Das kindliche Spiel.

Einen Überblick über die Veranstaltung gibt es in diesem Blogbeitrag.
Da ich die Inhalte frei aus der Fachliteratur zusammenstellen kann und auch bei den Methoden unabhängig bin, wird neben der Theorie in jeder vierstündigen Einheit etwas thematisch Passendes gespielt.
Angepasst nicht nur an das Thema, sondern auch auf die Gruppengröße.

Das ist gar nicht ohne, denn:

  • Es sind je Jahrgang ca. 25 Studierende im ersten Semester. Ich weiß nie genau, wie viele Studierende anwesend sind.
  • Der Raum ist mit den Tischen und Stühlen fast komplett gefüllt.
  • Ich kann nicht auf vorhandenes Material zurückgreifen. Alles, was ich brauche, muss ich mitbringen. Oder die Studierenden bitten, etwas mitzubringen. Letzteres klappt zum Teil, aber ich benötige immer eine Reserve, damit meine Spielaktion in jedem Fall umsetzbar ist.
  • Das Material muss kompakt verpackbar sein: Ich habe maximal 2 Radtaschen und mein Laptop muss auch mit. Auch bei mir zuhause soll das Material kompakt und wiederfindbar verstaut werden können.
  • Ich möchte kein … oder nur wenig neues oder gar kostenintensives Material anschaffen.
  • Das Material für die Gruppenspiele soll so sein, dass die Studierenden es auch selbst in der Einrichtung oder im Freund:innenkreis umsetzen können.
  • Natürlich spielen wir auch Spiele völlig ohne Material.

Mit so vielen Eckdaten umzugehen muss ich immer wieder, denn bei kreativen Aufgaben geht es ja darum, Lösungen für Probleme zu finden. Und die meisten Aufgaben haben Vorgaben und Grenzen, innerhalb derer sie umgesetzt werden müssen. Ein Beispiel für aus meiner sonstigen Arbeit habe ich hier beschrieben.


Aber was sollte denn nun gespielt werden?

Das Foto, das die Studierenden an der Wand gesehen hatten war … der Fröbelkran.
Der Fröbelkran ist ein Arbeitsmittel für Gruppen: Jede Person hält eine Schnur, in der Mitte ist ein Transporthaken, gemeinsam werden Holzklötze angehoben, transportiert und gestapelt.
Das erfordert eine gute Zusammenarbeit.
In diesem Video einer Schülerfirma aus Gießen wird der Fröbelkran in der Anwendung gezeigt.
Für die Challenge allerdings habe ich mir einen Fröbelkran als DIY-Version überlegt.

Die Studierenden mussten also vor dem Spielen selbst Hand anlegen:

  • Jede Vierergruppe bekam vier Schnürsenkel, ein Haargummi, zwei Bierdeckel, diverse Holzbausteine und Figuren in unterschiedlichen Formen (identische Anzahl und Form pro Gruppe).
  • Aufgabe 1 war es, mit Haargummi und Schnüren ein Transportmittel für die Holzbausteine zu konstruieren. Ein Transportmittel, bei dem, wie beim Original Zusammenarbeit gefordert ist.
  • Start und Ziel wurden mit den Bierdeckeln festgelegt – von einer Tischkante zu anderen. Die Bausteine wurden auf dem Startdeckel platziert.
  • Bei mehr Platz im Raum hätte ich gerne auch zwei Ebenen genutzt: Start am Boden, Ziel auf dem Tisch.
  • Aufgabe 2 war der Transport auf Zeit.
  • Nach dem Startsignal waren alle gleichzeitig an der Reihe: Mit dem Kran mussten die Holzbausteine angehoben, transportiert und auf dem Zielfeld gestapelt werden.
  • Als Stapelbedingung haben wir definiert: Auf dem Zieldeckel dürfen höchstens drei Stapel gebaut werden.

Dann ging die Challenge los … und es wurde laut und fröhlich im Raum.
Und ich atmete auf.
Die Gruppe, die gewonnen hat, funktionierte von Anfang an wie eine Maschine in gleichmäßiger Bewegung.

Nach der Challenge haben wir dann gemeinsam diskutiert:

  • Warum gab es zu Beginn die negative Reaktion der Studierenden?
  • Was am Original hat für Frust gesorgt? Was ist toll am Original?
  • Was war in unserer Challenge anders?
  • Was war besser? Was war nicht gut gelöst?
  • Wie ist das mit Kindern umsetzbar?

Einen Überblick über die komplette Lehrveranstaltung gibt es in diesem Blogbeitrag.

PS: Das klingt spannend?

Dann lassen Sie uns gerne in Gespräch kommen.

 


Warum ein Spiel mit Futzalarm eine ziemlich fröhliche Angelegenheit ist

Das kooperative Spiel GÄNSEMARSCH ist für Kinder ab 3 Jahren geeignet.
Es ist erstmals 2009 bei HABA erschienen.

Nun ist es in überarbeiteter Fassung wieder da: Nach wie vor ist es eines meiner liebsten Spiele.
Denn GÄNSEMARSCH ist eines der Spiele, an das ich sehr sehr viele schöne Erinnerungen aus Testsituationen und Gesprächen habe.

Göttingen

GÄNSEMARSCH habe ich HABA 2007 auf dem Göttinger Spieleautor*innentreffen vorgestellt.
Es gefiel der Spieleredaktion … und wurde 2009 veröffentlich.  

Das Spieleautor*innentreffen findet am 1. Juniwochenende 2023 statt, es steht also gerade wieder vor der Tür.
In meinem Werkstattatelier sind darum Prototypen und auch die Spuren der handwerklichen Vorbereitungen nicht zu übersehen.
Diese Prototypen werde ich in Göttingen Verlagsvertreter:innen zeigen, das eine oder andere Spiel gemeinsam spielen und auch auf die Reise zum Verlag schicken.
Was nicht heißt, dass sicher ist, dass das dieses eine oder andere Spiel in einer Schachtel landet und veröffentlicht wird.
Wie lange so ein Spiel unterwegs sein kann, habe ich hier und hier beschrieben.
Aber es heißt, dass dieses eine oder andere Spiel die erste Stufe geschafft hat.
Was in Göttingen geschieht, haben Andrea Meyer und ich 2011 in ein Lied verwandelt – die Infos und den Link zum Nachhören gibt es unten in diesem Beitrag.

Worum geht es im Spiel GÄNSEMARSCH?

Die Kinder decken Karten mit Tieren auf. Sind es Gänse, wird eine kleine Bewegungsübung nachgemacht – entweder alleine, zu zweit … oder als Gruppe.
Letzteres ist die namensgebende Aktion: Wer die Gänsemarschkarte aufgedeckt hat, darf vorangehen, alle anderen müssen folgen.
Die Kinder spielen gemeinsam … gegen den Fuchs. Auch er ist auf einigen Karten zu sehen.
Wird eine Fuchskarte aufgedeckt, laufen die Kinder einmal um den Tisch und rufen „Fuchsalarm!“.
Die Fuchsfigur rückt dann eine Karte weiter.
Die Kinder gewinnen, wenn sie es schaffen, jede der Übungen mindestens einmal gemacht zu haben, bevor der Fuchs seine Runde beenden kann.
Das Spiel ist für Kinder ab 3 – entsprechend ist ausschließlich Glück im Spiel.

Unterwegs im Gänsemarsch

Die meisten Kinder finden es toll, vorausgehen zu dürfen.
Und sie folgen auch gerne dem vorangehenden Kind.
Meistens.
Mehrmals bereits hatte ich das Spiel im Garten der KiTa getestet, also mit Kindern im KiTaalter gespielt.
Allerdings wurden die Gänsemärsche in dieser Gruppe immer länger.
Vor allem, wenn Greta vorneweg ging. Das fanden die anderen irgendwann zu anstrengend.
Und so kam es, dass, als wieder Greta wieder einmal die Gänsemarschkarte aufdeckte, alle anderen schrieen:
„NNNNEEEEEIIIIN, nicht schon wieder Greta!“
Und ich mich bemühte, Greta zu einer kleinen Runde im Gänsemarsch zu bewegen.
Also nur genau einmal um die Sandkiste.
Nicht um die Sandkiste, um die Schaukeln, durch die Bäume, am Zaun entlang …

Lautes Gekreisch

Es geht in dem Spiel nicht nur um Bewegung und Kooperation, sondern auch um Emotionen.
Besonders, wenn die Fuchskarte aufgedeckt wird.
Denn das ist klar: Der Fuchs ist der Feind der Gänse.
Die Emotionen kochen hoch … und die Kinder können diesen Stress in Bewegung und Stimme umsetzen:
Einmal um den Tisch laufen und “Fuchsalarm!“ rufen.
Das Rufen fällt meist sehr sehr laut und fröhlich aus.
Aber das Spiel schafft es auch, die Kinder wieder ruhig werden zu lassen.
Ein Glücksfall war es, dass ich bei einer Spielerunde das Aufnahmegerät mitlaufen ließ:
„ ... und was kommt jetzt? Vielleicht ein Fuchs?“ ruft ein Mädchen immer wieder.
Und als er endlich kommt, kommt das, was meistens kommt:
Die Kinder rufen, schreien und kreischen. Hier kann das Audio auf soundcloud nachgehört werden.

Futzalarm!

Auf einer Veranstaltung für Logopädie sagte mir eine Logopädin:
„Wissen Sie, meine kleine Tochter liebt das Spiel. Und sie ruft immer: Futzalarm!!!! Natürlich sollte ich das als Sprachexpertin korrigieren. Aber ich kann einfach nicht …“

Immer mehr Kinder

Bei einer Testrunde spielten wir im Flur der KiTA, weil kein Raum frei war.
Wir waren laut und fröhlich, und so gingen nach und nach die Türen zu den angrenzenden Gruppenräumen auf.
Und es wurden immer mehr Kinder, die mitgemacht haben.
Test bestanden: Das war mir bei diesem Spiel schnell klar.

Immer mehr Kinder, das gilt auch ganz allgemein für dieses Spiel.

Meine Spiele gehören nicht zu denen, die JedeR kennt oder zuhause hat.
Wenn mich Leute fragen, ob sie wohl Spiele von mir kennen, sage ich darum meistens: Vielleicht.
Einige Verlage, bei denen ich Spiele veröffentlicht habe, kennt JedeR.
Dann frage ich die Fragesteller:innen, ob sie selbst Kinder haben oder mit Kindern arbeiten.
Wenn sie nicken, nenne ich die Titel, mit der höchsten Trefferwahrscheinlichkeit:
GÄNSEMARSCH, HASE, HÜPF und KARLA KUCHENFEE.


Sidefacts

Gesang für Göttingen

Das Göttinger Spieleauor:innentreffen gibt nun schon seit mehr als 40 Jahren.
2011, zum 30jährigen Jubiläum, haben Andrea Meyer und ich dem Krimaltango einen neuen Text verpasst.
Er beschreibt, was in Göttingen passiert und kann hier nachgehört werden.
Ebenfalls bei der Aufnahme anwesend: Hajo Bücken.

Hajo Bücken

Auch mit ihm durfte ich singen – als Duettpartnerin.
Für Die große RATZ-FATZ Sinneswelt, erschienen 2012 bei HABA. Hier gibt es eine Hörprobe.

2016 verstarb Hajo nach kurzer, schwerer Krankheit.
Hajo und mich verband eine langjährige, aus einer guten Zusammenarbeit entstandene Freundschaft.
Einen Text darüber und auch, welche Rolle das Spiel RATZ-FATZ dabei spielt, kann hier nachgelesen werden.


Die Eckdaten

GÄNSEMARSCH
Verlag: HABA
Spieleautorin: Anja Wrede
Illustration: Gabriela Silveira


Warum ich etwas über die Wellenlänge von Lack gelernt habe

Projekte, bei denen ich etwas Neues lerne, sind mir die liebsten.
Bei MOSES ist nun ein 3D Escape Kartenspiel von mir erschienen, mit Illustrationen von Folko Streese.
Mein erstes Escape Spiel.
Nicht mein erstes Rätselspiel - das habe ich 2016 als Auftragsarbeit für AlogO, ein IT Unternehmen gemacht (Zielgruppe: Erwachsene).

Ein paar Eckdaten waren schon vorher klar:

  • Es soll mehrmals spielbar sein – also nicht beim Spielen kaputt gemacht werden.
  • Es soll für Kinder ab 7 oder 8 Jahren spielbar sein.
    Also nicht zu viel Text, nicht zu lang von der Spieldauer.
    Und trotzdem nicht zu einfach. Und nicht zu schwer.
  • Die Rätsel sollten auf Karten sein.
  • Mit 3D Material.

Hui!

So eine Karte ist nicht besonders groß.
Und Rätsel, die sich mit wenigen Worten erklären lassen und trotzdem unterschiedlich sind, müssen erstmal ausgedacht werden. Und die als Rätsel selbst zwar optisch funktionieren, aber nicht viel Platz brauchen.
Ganz schön kniffelig, was da alles ineinandergreifen muss:

  • Spielregel
  • Rätsel
  • Abfolge und Verknüpfung der Rätsel
  • Tipps, die helfen, aber keinen Hinweis auf die Abfolge oder die Lösung geben

Ich habe mich also in Rätsel für die Altersgruppe eingegraben und mit dem Blick auf die Eckdaten ausgetüfftelt, was wie sein muss, um passen zu können.
Gut, dass ich auch selbst gerne zeichne.
Ich hatte mir UV-Elemente in den Kopf gesetzt. Auf dem Prototypen habe ich die entsprechenden Elemente mit einem UV-Stift gezeichnet, eine Mini UV-Lampe half den Testkindern aus dem Hort beim Lösen der Rätsel.
3D wurde ein Haus zum Zusammenstecken. Es steht in der Schachtel. Und auf dem Haus sind na klar auch Rätsel versteckt.
Die Spieldauer habe ich über mehrere, aber allesamt auf dem Tisch liegende vermischte Missionen gesteuert.

Dann kam der Tag der Abgabe. Und die Zeit des Wartens. Für mich.

Für die Spieleredaktion, die den Prototypen dann auf dem Tisch hat, beginnt spätestens jetzt die Arbeit an dem konkreten Projekt.

Denn ein Prototyp bedeutet im Spielebereich - anders als z.B. im Design Thinking - ein spielbares, getestetes Einzelstück.
Aber es ist eben ein Proto.
Ein Einzelstück.
Ein selbstgebautes Einzelstück, das in diesem Fall später produziert nun so aussieht:

Die Spieleredaktion bzw. der Verlag und diverse freie Mitarbeitende erarbeiten u.a.:

  • Die Kalkulation. Durch die in den letzten Jahren massiv gestiegenen Kosten nicht nur der Papierpreise ist das vor allem bei Projekten, die nicht nur Standardmaterial enthalten, eine besondere Kunst.
  • Illustrationen, die definiert, beauftragt, erarbeitet, abgestimmt werden müssen. Für alle Bestandteile.
  • Stanzteile für das 3D-Haus müssen entworfen, kalkuliert und und gestaltet werden.
  • Alle Texte gehen durch mehrere Mangeln.
  • Die Gestaltung aller Bestandteile muss geplant, gemacht und korrigiert werden.
  • und und und und und und ...
  • In den Abstimmungen mit der Spieleredaktion habe ich neben anderen Dingen gelernt:
    Die Rätsel, die nur mit Hilfe der UV-Lampe lösbar sind, werden in einem separaten Druckvorgang mit UV-Lack auf die Karten und das Haus gedruckt. Der UV-Lack, der dafür genutzt wird, muss zu der Wellenlänge passen, die die UV-Lampe hat.
    Sonst zeigt die UV-Lampe:
    NICHTS.
    Oh, spannend! Ich beantrage, UV-Stifte und UV-Lampen in den Physikunterricht zu integrieren, umgehend. Unter Beachtung der Wellenlängen natürlich ...

Hier geht es zu einem kurzen Erklärvideo.

Und hier kann das Spiel direkt beim Verlag bestellt werden.


Funfact

Folko Streese, den Illustrator des Spiels, habe ich vor einigen Jahren per Zufall im Zug kennengelernt.
Es war ein später Zug von Frankfurt nach Berlin, ich war mit Antje Hagemann auf der Buchmesse gewesen, nun waren wir auf dem Rückweg.
Dann blieb der Zug stehen, mitten auf der Strecke.
Bei normalen Zugreisen ergeben sich ja heutzutage kaum noch Gespräche mit Unbekannten, JedeR ist mit Kopfhörern oder/und irgendeinem technischen Gerät in der jeweils eigenen Welt. Doch eine Zugpanne sorgt nach wie vor für Kommunikation unter den Reisenden. Das Abteil war nur leicht gefüllt … Folko saß ein paar Sitze weiter, durch die Panne kamen wir ins Gespräch über Bücher, Spiele, Konzepte und Illustration im Allgemeinen. Die nächtliche Wartezeit verging mit guter Unterhaltung. So erfuhr ich auch, dass er bereits für Moses illustriert hatte. Und nun gibt es ein Spiel, auf dem unsere beiden Namen stehen!


Die Eckdaten

DAS GEHEIMNISVOLLE HAUS
Verlag: Moses Verlag
Ein 3-D-Rätselabenteuer von Anja Wrede
Illustration: Folko Streese

 

Presse & Stimmen:

Stiftung Lesen

Mitteldeutsche Zeitung

Brettspielblog.ch

Kinderspielmagazin.de

@SpieleBlog


Sie möchten informiert werden, wenn es hier etwas Neues gibt?
Bitte tragen Sie Ihre E-Mail ein. Damit ich Ihnen meinen Newsletter zusenden kann, erlauben Sie mir, Ihre E-mail zu speichern. Ich nutze sie ausschließlich, um Ihnen den Newsletter zu senden.

Bitte addieren Sie 7 und 9.

Sie haben ein Problem mit der Anmeldung?
Melden Sie sich gerne hier, wir finden eine Lösung!

Sie haben den Newsletter bereits abonniert und kein Interesse mehr?
Über diesen Link können Sie den Newsletter jederzeit abbestellen.